Mit der Welterstaufführung von „Alles, was Odem hat” klang der diesjährige Orgelherbst in der Stadtkirche aus. Der Komponist Jens Wollenschläger saß selbst an der Klais-Orgel, genau wie vor zehn Jahren zu deren Einweihung. Martin Kaleschke dirigierte den Ludwigsburger Motettenchor.
Artikel von Harry Schmidt, aus der Ludwigsburger Kreiszeitung vom 14.10.2025
Ludwigsburg. 2015 wurde sie eingeweiht, in diesem Jahr kann die Klais-Orgel, seinerzeit Ergebnis eines „beispiellosen Spendenmarathons”, so Elke Dangelmaier-Vinçon und Dr. Wolfgang Baur in der Festschrift zur Einweihung, auf ihr erstes rundes Jubiläum zurückblicken: Ganz im Zeichen der „Königin der Instrumente” mit ihren 51 Registern auf der Empore der Stadtkirche stand der Ludwigsburger Orgelherbst 2025,, mit „10 Jahre Klais-Orgel” war das so vielfältige wie unkonventionelle Programm des diesjährigen Zyklus überschrieben, mit dem die evangelische Kirchengemeinde die erste Dekade dieser „Neuschöpfung im alten Geiste” (wie die Orgelbauwerkstatt Klais die Konzeption der komplexen Restaurierung auf ihrer Homepage charakterisiert) feierte. Und was war nicht alles geboten: zum Eröffnungskonzert das Orchester der Stadtkirche unter Fabian Wöhrle mit Philipp Kaufmann, ein vierhändiges Orgelrecital mit Prof. Stephan Leuthold und Prof. Martin Kaleschke, ein Abend vollern Improvisationen mit Enno Gröhn.
Zum Abschlusskonzert des Ludwigsburger Orgelherbsts stand die Uraufführung von „Alles, was Odem hat“ auf dem Spielplan, einer Komposition für Chor, Orgel und kleines Schlagwerk, die man anlässlich des Jubiläums bei Prof. Jens Wollenschläger in Auftrag gegeben hat, dem Organisten der feierilichen Einweihung zu Ostern 2015. Für seine Jubiläumsmotette hat Wollnschläger, Prorektor der Hochschule für Kirchenmusik in Tübingen und erster Organist an der dortigen Stiftskirche, die Texte dreier Psalmen vertont, die inhaltlich über das Motiv des Lobpreises aufeinander bezogen werden. Vorzüglich gestaltete der 20-köpfige, von Martin Kaleschke einstudierte und auf der Empore geleitete Ludwigsburger Motettenchor die herausfordernden, bis zu achtstimmigen Vokalpassagen, an der Klais-Orgel war der Komponist selbst zu hören.
Machtfülle der Königin
In seiner Klangsprache hält Wollenschläger sich im Wesentlichen im Bereich der Tonalität auf, Stimmgruppen werden häufig im Antiphon geführt, auch Formelemente wie Fuge, Hymne oder Psalmodie sind in die Komposition eingeflossen. Insbesondere in den Texten der Ecksätze , der Psalm 98 und der 150. Psalm, dem auch die im Titel zitierte Zeile „Alles, was Odem hat” entnommen ist (vielfach, etwa von Bach, Mendelssohn-Bartholdy und Silcher, vertont) wird eine Fülle von Instrumenten zum Gotteslob aufgefordert, was Wollenschläger mal in der Registrierung harmonisch illustrativ unterstreicht, mal aber auch kontrastiert, wenn etwa zum Stichwort „Harfen” die Snaredrum einsetzt. Den Schlagwerkpart übernahm Daniel Kartmann, die „hellen Zimbeln” waren von Wollenschläger mit Chimes instrumentiert.
Zuvor hatte der Organist mit einem instruktiven, ungemein kontrastreichen Programm die Sinne der Besucherinnen und Besucher geschärft. In stupendem, rauschendem Legato präsentierte Wollenschläger die Orgelfassung der Sinfonia von Johann Sebastian Bachs Ratswahlkantate „Wir danken dir, Gott, wir danken dir” (BWV 29). Gespenstisches Gewisper grundiert Marcel Duprés g-Moll-Präludium (Op. 7 Nr. 3), die choralartige Melodie tritt zunächst im Pedalbass hinzu. In der Fuge kulminiert das nun vollgriffige Choralthema in einer markerschütternden Kadenz, in der die Machtfülle der Instrumentenkönigin erneut geradezu einschüchternde Dimenstionen annahm.
Fulminant auch Wollenschlägers Interpretation der „Acht kurzen Stücke” (Op. 154) von Sigfrid Karg-Elert, die oft wie ein der Melodie entgleitenden Fantasiegesang wirken, begeisternd insbesondere die „Toccatina”. Zurückgenommen und zartkantabel gefärbt dann zwei Präludien des Bach-Schülers Johann Christoph Kittel, beschwingt zwei der „Drei jazzverwandeten Choralbearbeitungen” von Volker Bräutigam, in denen der Easylistening-Sound der Siebziger widerhalt.