Weltliche Musik voller Gotteslob

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Uberschrift 2. Klasse
In der Stadtkirche erklingt zum Ewigkeitssonntag Joseph Haydns „Die Jahreszeiten”

Ludwigsburg. Vor knapp zwei Monaten in einer gekürzten, sinfonisch ergänzten Fassung vom Chor-Forum im Theatersaal des Schlosspark-Forums gegeben, kamen „Die Jahreszeiten“ nun als „Musik zum Ewigkeitssonntag“  mit dem Chor und Orchester der Stadtkirche ebendort in Gänze zu Gehör. 1801 im Wiener Palais Schwarzenberg uraufgeführt, war diese musikalische Darstellung eines Jahreslaufs aus der Sicht der Landbevölkerung das letzte der vier Oratorien von Joseph Haydn. Den Triumpf, den der österreichische Komponist mit „Die Schöpfung“ drei Jahre zuvor feierte, konnte er mit „Die Jahreszeichen“ jedoch nicht wiederholen.

Aufgrund seiner angegriffenen Gesundheit ging die Arbeit daran wohl nicht leicht von der Hand und nahm zwei Jahre in Anspruch. Haydns erster Biograf berichtet zudem, jener habe sich „oft bitterlich über den unpoetischen Text“ beklagt – wie bei „Die Schöpfung“ stammt das Libreotto, das in diesem Fall auf einen Versepos des schottischen Dichters James Thomson beruht, von Gottfried van Swieten.

Auch von Haydn selbst sind ambivalente Aussagen überliefert: Nie wäre er auf die Idee gekommen, „den Fleiß in Noten zu setzen”, solll er das Terzett- und Chorstück „So lohnet die Natur den Fleiß” kommentiert haben, zu „Die düstren Wolken trennen sich” heißt es in einem Briefzeugnis: „Diese ganze Stelle als eine Imitation eines Frosches ist nicht aus meiner Feder geflossen; es wurde mir aufgedrungen, diesen französischen Quark niederzuschreiben.” Andererseits schildert er die Arbeit an der „besoffenen” Chorfuge „Juhe! Der Wein ist da” in euphorischen Tönen.

Das Dirigat des aus vier in sich geschlosssenen Kantaten bestehenden Oratoriums haben sich die beiden Bezirkskantoren geteilt: Martin Kaleschke gestaltet „Der Frühling” und „Der Sommer”, Fabian Wöhrle” nach der Pause „Der Herbst” und „Der Winter“. Entsprechend wechseln sie sich auch am Hammerklavier ab, das vom Halbrund des auf Originalklanginstrumenten musizierenden Orchesters der Stadtkirche umgeben ist. Gut präpariert präsentiert sich auch die rund 80-köpfige Sängerchors des um den Ludwigsburger Motettenchr verstärkten Chor der Stadkirche: Wo der Einsatz in "Komm, holder Lenz!” noch minimal in den Konturen verschwimmt, setzen sie mit dem im Wechsel mit dem Solistenterzett vorgetragenen Bittgesang „Sei nun gnädig, milder Himmel!” ein erstes Ausrufezeichen.

Mit drei Figuren ist das Personaltableau überschaubar und denkbar schlicht gehalten: Der Landmann Simon (Philipp Meierhöfer: profunder, stimmgewaltiger Bass in ausgezeichneter Artikulation), dessen Tochter Hanne (Elisabeth Wimmer: ätherischer Sopran mit schwerelos tremolierenden Spitzentönen) und Jungbauer Lukas (Christian Georg: lyrischer Tenor, auch in Koloraturen brilliant) sind die Protagonisten, in deren Leben sich der Wechsel der Jahreszeiten spiegelt.

Mit mehr als einem Bein noch in der Bach'schen Oratorientradition, in der thematischen Verschränkung von Jahreslauf und Lebenszyklus aber auch schon an der Schwelle zur Romantik stehend, zeigen „Die Jahreszeiten” auch in anderer Hinsicht zwei Gesichter. Ein weltliches Oratorium voller Gotteslob und erhebender Musik, selbst wenn Haydns Lautmalerei heute zuweilen plakativ und einfältig, anderes – etwa wenn das Ideal der Natürlichkeit in höchst artifizellen Koloraturen gepriesen wird – gar unfreiwillig komisch wirken mag. 

Sechs Minuten teilweise im Stehen vorgebrachter Beifall des Publikums in der gut besuchten Stadtkirche für eine bemerkenswert nuanciert ausgehörte, konzentrierte Wiedergabe in stimmigem Rahmen.

Ludwigsburger Kreiszeitung, 28.11.2023, Seite 15; ein Artikel von Harry Schmidt

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