Von Harry Schmidt (aus der LKZ vom 22. Nov. 2016, Seite 22)
Ludwigsburg. Mit seinem großformatigen, in der heutigen Fassung 1869 im Leipziger Gewandhaus uraufgeführtes Werk „Ein deutsches Requiem” (op. 45) für Chor, Orchester und Solisten gelang Johannes Brahms als 33-Jährigem der Durchbruch. Für dessen Aufführung hatten sich am Sonntagabend in der Stadtkirche das dortige Orchester und der Stadtkirchenchor mit dem Ludwigsburger Motettenchor unter der Leitung von Bezirkskantor Fabian Wöhrle zusammengetan.
Rund 100 Sängerinnen und Sänger umgaben die 50 Mitglieder des Orchesters im Altarraum wie ein Flügelpaar, kollossal kam die Breitleinwandwirkung dieser enormen Stereobasis in den sieben Sätzen zum Tragen.
Im Gegensatz zur Konvention hatte Brahms sich in der Textauswahl seines Requiems nicht an der Liturgie der katholischen Totenmesse orientiert, sondern Bibelstellen kombiniert, bei denen nicht Trauer, sondern Trost und Hoffnung auf Erlösung im Mittelpunkt stehen. In seiner Abfolge aus Chören, Solo- und Instrumentalpassagen sowie seiner Besetzung – Solo-Sopran und -Bariton nebst vierstimmigem, gemischten Chor und Sinfonieorchester – entspricht es auch eher einem Oratorium, wie es Mendelssohn Bartholdy im Rückgriff auf Bach und Händel etabliert hat. Fabelhaft die Strahlkraft der der Chöre im Unisono, beeindruckend ihre Gebundenheit und Beweglichkeit ihrer Stimmgruppen in den geteilten Passagen, hervorragend die dynamischen Abstufungen. Ausgeglichen und edel timbriert auch bei Spitzentönen Sopranistin Fanie Antonelou, der mit Florian Götz ein Bariton auf Augenhöhe zur Seite steht, der seine Partie mit großer Ernsthaftigkeit vornehm, klangschön und textnah auszufüllen wusste.
Grandios organisiert die Feinabstimmung der Großklangkörper, mit der Konzentration eines Turmspringers geht Wöhrle in jedem Satz, den Taktstock waagerecht nach vorn gereckt, bevor er mit teilweise expressiver Gestik die Klangmassen beidhändig formt. Andächtig lauschen die 550 Besucher dem Geläut im Anschluss, bevor minutenlanger Beifall für die hervorragende Aufführung aufbrandete. Grandios gelungen war bereits der Auftakt mit Brahms „Begräbnisgesang” (op. 13) und Robert Schumanns „Requiem für Mignon” (op. 98b), in dem Olga Wegener und Caroline Oestreich (Sopran) sowie Ursula Schaal und Karina Schoenbeck (Alt) als Solisten zu hören waren.