An die Leidensgeschichte des Jesus von Nazareth, die der österlichen Auferstehung vorangeht, hat der Ludwigsburger Motettenchor erinnert. Die evangelische Stadtkirche war mit über 500 Gästen voll.
Von Astrid Killinger
Am Karfreitag sind alle Läden zu. Es ist ein Feiertag. Allerdings einer, der nicht zum Feiern einlädt. Einer, der das fröhliche Eierfärben unterbricht. Die Johannes-Passion von Bach macht klar, warum. Am Karfreitag 1724 erstmals in der Leipziger Nikolaikirche aufgeführt, ist sie heute noch vielen eine Hilfe, diesen irgendwie unheimlichen Tag, an dem es nicht selten donnert und dunkle Wolken aufziehen, zu gestalten.
Das Werk erzählt nach dem Johannesevangelium die Leidens- oder Passionsgeschichte von Jesus. Die kunstvolle musikalische Ausgestaltung durch den gläubigen Komponisten drückt bei jeder Aufführung aufs Neue die Dramatik des Geschehens aus. So schuf auch das Konzert am vergangenen Karfreitag den gebührenden inneren Freiraum für das Gedenken. Glänzend ausgebildete Solisten und ein empfindsames, der historischen Aufführungspraxis verpflichtetes Orchester verschmolzen unter der Leitung von Stephan Leuthold mit dem ambitionierten Chor zu einer hochwirksamen Einheit.
Tenor Florian Cramer hatte den größten Teil. Der gebürtige Besigheimer erzählte in seiner Rolle als Evangelist vom Verrat des Judas, von der Verleugnung des Petrus, vom Backenstreich, den ein Diener Jesus erteilte, vom unfreiwilligen Richter Pilatus, von der Dornenkrone, von der Kreuzigung.
Zur schlüssigen Geschichte wurden diese Eckpunkte erst durch die ergänzenden kurzen Dialoge dazwischen. Im unterschütterliche Ruhe ausstrahlenden Bass gab Manfred Bittner als Jesus knappe Antworten. Thomas Scharr lieh dem Pilatus seine Stimme. Außerdem aber sang dieser Solist auch Texte, die wie die Choräle des Chors nicht nur das konkrete Geschehen beschreiben, sondern die Interpretationen davon, Meditationen, Bitten, Schuldbekenntnisse, Gebete sind.
Auch die Parts der beiden Solistinnen benennen die Transparenz, die letztliche Bedeutung der Passion für den Gläubigen. Von der Heilung „aller Lasterbeulen” singt Sabine Czinczel (Alt). „Und höre nicht auf, selbst an mir zu ziehen, zu schieben, zu bitten” insistiert wieder und wieder Fanie Antonelou (Sopran).
Ein Höhepunkt dieser persönlichen Anverwandlung der Passion ist die Arie, die Thomas Scharr und der Chor im unmittelbaren Wechsel gemeinsam singen. So wie etliche Textstellen durchaus schon etwas vom Wissen um das gute Ende, die österliche Auferstehung, aufblitzen lassen, so ist auch die Musik insgesamt nicht allzu düster.
Dass durch einen durchgängig warmen Ton dieses gute Ende ins Gleichgewicht zur grausamen Vorgeschichte gesetzt wurde, das lag nicht zuletzt an den Instrumentalisten (Violinen: Mechthild Dieterich, Tilman Aupperle, Andreas Fendrich, Katharina Kefer, Sabine Brodbeck, Lenka Seybold; Viola: Boris Schaffert, Julia Deppert-Lang; Cello: Susanne Reikow; Bass: Folker Weitzel; Flöte: Sybille Hermann, Karen Hamann; Oboen: Andreas Vogel, Uta Jakob; Fagott: Detlev Reikow; Viola da gamba: Heike Hümmer; Orgel: Peter Kranefoed).
(aus: Ludwigsburger Kreiszeitung vom 10. April 2012, Seite 6)