Jubelnde Feststimmung und leise Poesie

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Uberschrift 2. Klasse
Die Aufführung der ersten drei Teile des Weihnachtsoratoriums mit Motettenchor, Ensemble und Solisten lebt von den Kontrasten
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Foto vom Konzert des Ludwigsburger Motettenchors vom 22.12.2015 in der Stadtkirche: Weihnachtsoratorium I-III von J. S. Bach.

Von Angelika Baumeister.

Jauchzet, frohlocket, preiset die Tage: Die Teile I bis III des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach, die am Sonntagabend in der dicht besetzten Stadtkirche aufgeführt wurden, vermittelten große Feststimmung, aber auch leise Poesie. Eine Überraschung war der Countertenor Matthias Lucht, der die Arien der Maria sang.

Die für die Weihnachtstage geschriebenen ersten drei Teile des wohl berühmtesten Bach-Werkes leben von Jubel und von kontemplativen Momenten. In diesem Spannungsfeld bewegte sich unter der Leitung von Bezirkskantor Martin Kaleschke eine Aufführung, die von den über 600 Besuchern gefeiert wurde.

Der Ludwigsburger Motettenchor nahm die kontrastreiche Stimmung auf und bescherte dem Abend grandiose Momente in perfekter Intonation. DIe Sängerinnen und Sänger ließen es in dem von tiefer Religiosität geprägten Oratorium nicht beim Jubel, sondern brachten mit dezent interpretierten Chorälen auch das Dunkle in die leuchtende Weihnachtszeit. Das gelang vor allem mit dem berühmtesten Choral „Wie soll ich dich empfangen“, der auf die Melodie des Passionsliedes „Oh Haupt voll Blut und Wunden“ gesungen wurde und somit deutlich machte, dass Geburt und Tod zusammengehören.

Variationsreich agierte der Chor bei der Melodie „Vom Himmel hoch da komm ich her“, Das geschah mal demutsvoll beim Beschreiben des Kindes in der Krippe, aber auch strahlend festlich bei der Lobpreisung. Mit viel Dynamik ging der Chor bei der dritten Kantate „Herrscher des Himmels, erhöre das Lallen“ zur Sache, als er den Weg der Hirten nach Bethlehem beschrieb und zum Schluss in frohlockendes Preisen einstimmte.

Die Gesangssolisten setzten in den Arien ganz eigene Akzente. Vorneweg der Countertenor Matthias Lucht, der den für Altstimme vorgesehenen Arien der Maria eine erstaunliche Intensität verlieh. Das gelang mit der verhaltenen Weise „Bereite dich Zion“, mit dem sehr apart intonierten Wiegenlied „Schlafe, mein Liebster“ und dem innig gesungenen Wunsch „Schließe, mein Herze“.

Die Sopranistin Johanna Zimmer brachte engelsgleichen Klang in das Geschehen in der evangelischen Stadtkirche. Tenor Joachim Streckfuss brillierte mit der an Koloraturen reichen Hirtenarie und der Bass Thomas Scharr huldigte kraftvoll den großen Herrn und starken König.

Das Orchester „Ensemble harmonique“ vermittelte nicht nur diese freudigen, von Pauken und strahlenden Trompeten eingeleiteten Momente, sondern schuf große Intimität mit den von Oboen und Fagott untermalten Szenen in der Krippe, mit wie Engelsflügel schwebenden Streichern, mit einem wunderbaren Flötensolo bei der HIrtenarie und mit einer den  zweiten Teil einleitenden Sinfonia. Sie gehört zu den schönsten Instrumentalsätzen Bachs überhaupt und das Orchester brachte sie zum Schwingen. Das alles geschah auf unaufgeregte Weise, der Herrscher des Himmels war ganz nah, auch wenn der Wunsch nach Friede auf Erden durchaus etwas Schmerzliches hatte.

aus: Ludwigsburger Kreiszeitung vom 22. Dez. 2015, Seite 8.

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